Das Wichtigste in Kürze:
- Es gibt drei Insolvenzgründe, die Überschuldung, die Zahlungsunfähigkeit und die drohende Zahlungsunfähigkeit.
- Der Insolvenzgrund der Überschuldung ist nur bei juristischen Personen (z. B. GmbH und AG) anwendbar.
- Liegt ein Insolvenzgrund vor, sollte ein Insolvenzantrag gestellt werden, bei juristischen Personen besteht eine Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Welche Insolvenzgründe gibt es?
Im Insolvenzrecht gibt es drei Insolvenzgründe, die Überschuldung, die Zahlungsunfähigkeit und die drohende Zahlungsunfähigkeit.
- Überschuldung, § 19 InsO: Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Schulden eines Unternehmens höher sind als das Vermögen des Unternehmens. Neben der bilanziellen Überschuldung setzt die Überschuldung nach der Insolvenzordnung (InsO) voraus, dass eine negative Fortführungsprognose vorliegt.
- Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO: Ein Unternehmen oder eine Person ist zahlungsunfähig, wenn es nicht in der Lage ist, fällige Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.
- Drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO: Bevor die Zahlungsunfähigkeit eintritt, kann schon der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit vorliegen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erwarten ist, dass das Unternehmen nicht in der Lage sein wird, seine Zahlungspflichten zu erfüllen.
Die Zahlungsunfähigkeit ist der allgemeine Insolvenzgrund. Die Zahlungsunfähigkeit ist sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen ein Insolvenzgrund. Dazu werden Insolvenzanträge von Gläubigern (z. B. dem Finanzamt, Krankenversicherungen oder Banken) häufig mit der Zahlungsunfähigkeit begründet.
Im Gegensatz dazu kann die Insolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit nur von der insolventen Person bzw. dem insolventen Unternehmen selbst beantragt werden. Die Insolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit wird häufig genutzt, um ein Unternehmen zu sanieren. Der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit wurde eingeführt, da es häufig für eine Sanierung zu spät ist, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eintritt. Mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit bekommen Unternehmen früher die Möglichkeit zur Sanierung.
Der Insolvenzgrund der Überschuldung ist nur bei juristischen Personen (z. B. der GmbH, der AG, aber auch der GmbH & Co. KG, sofern keine natürliche Person unbeschränkt haftet) anwendbar.
Wann liegt die Zahlungsunfähigkeit vor?
Die Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit liegt erst vor, wenn eine Erheblichkeitsschwelle überschritten wird. Es ist erforderlich, dass mindestens 10 % der fälligen Zahlungspflichten für mindestens 2 bis 3 Wochen nicht erfüllt werden können.
Für die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit werden die Zahlungsmittel (sog. liquide Mittel) und die fälligen Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Betragen die Zahlungsmittel weniger als 90 % der fälligen Verbindlichkeiten, ist das Unternehmen bzw. die Person zahlungsunfähig.
- Liquide Mittel: Zu den liquiden Mitteln gehört klassisches Geld (z. B. der Kassenbestand oder Bankguthaben). Erfasst wird allerdings auch kurzfristig verwertbares Vermögen, sofern dieses innerhalb von 2 bis 3 Wochen realistisch liquidierbar ist (z. B. kurzfristige Forderungen).
- Fällige Verbindlichkeiten: Auf der anderen Seite des Liquiditätsplans stehen die fälligen Verbindlichkeiten. Dieser enthält zum einen die bereits fälligen Verbindlichkeiten. Dabei wird die Fälligkeit allerdings anders als in § 271 BGB definiert. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann die Fälligkeit bereits fehlen, wenn aus einem Verhalten des Gläubigers geschlossen werden kann, dass die Forderung nicht geltend gemacht wird. Dazu werden solche Verbindlichkeiten berücksichtigt, die in den nächsten drei Wochen fällig werden. Außerdem werden nur Geldschulden berücksichtigt, andere Verbindlichkeiten (z. B. die Pflicht, Waren zu liefern) werden nicht berücksichtigt. Streitige Verbindlichkeiten sind nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn ernsthafte Zweifel an dem Bestehen der Verbindlichkeit bestehen.
Wann liegt die Überschuldung vor?
Ein Unternehmen ist überschuldet, wenn eine negative Fortführungsprognose bezüglich der Weiterführung des Betriebes vorliegt und das Vermögen des Unternehmens die Verbindlichkeiten nicht deckt, § 19 InsO.
Damit hat die Überschuldung zwei Voraussetzungen:
- Negative Fortführungsprognose: Eine negative Fortführungsprognose liegt vor, wenn das Unternehmen nicht in der Lage sein wird, das Geschäft fortzuführen bzw. die Verpflichtungen zu erfüllen. Neben der objektiven Fähigkeit, das Geschäft weiterzuführen, ist es zusätzlich erforderlich, dass der Wille besteht, das Unternehmen weiterzuführen. Der Prognosezeitraum beträgt circa 12 Monate.
- Bilanzielle Überschuldung: Dazu muss das Unternehmen bilanziell überschuldet sein. Die bilanzielle Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Unternehmens geringer ist als die Verbindlichkeiten des Unternehmens.
Für die Ermittlung einer etwaigen bilanziellen Überschuldung wird eine Überschuldungsbilanz aufgestellt. In der Überschuldungsbilanz werden das Vermögen (Aktivseite) und die Schulden (Passivseite) gegenübergestellt.
- Aktivseite: Für die Beurteilung der Überschuldung wird das Vermögen anhand der Liquidationswerte bewertet. Es wird also geschaut, welchen Wert die Vermögensgegenstände hätten, wenn sie einzeln veräußert würden. Zu den Vermögensgegenständen zählen beispielsweise auch Ansprüche auf Verlustübernahme oder eigene Ansprüche aus Patronatserklärungen, welche somit eine Überschuldung verhindern können. Nicht berücksichtigt werden Ansprüche, die erst nach der Insolvenz eintreten (z. B. Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführung wegen eines verspäteten Insolvenzantrags) oder Sicherheiten von Dritten (z. B. Bürgschaften). Sicherheiten werden ausnahmsweise berücksichtigt, wenn eine Freistellungsgarantie besteht, also der Sicherheitengeber vorrangig einzutreten hat und seine Regressansprüche gegen das Unternehmen im Rang zurücktreten.
- Passivseite: Auf der Passivseite der Bilanz werden die Forderungen mit dem Nennwert angegeben. Dazu werden etwaige Eventualverbindlichkeiten (z. B. mögliche Forderungen wegen einer Bürgschaft oder Verbindlichkeiten wegen Gewährleistung) mit einem Abschlag angegeben. Die Höhe des Abschlages hängt vom Einzelfall ab und lässt sich nicht pauschalisieren.
Wann liegt die drohende Zahlungsunfähigkeit vor?
Die drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn in den nächsten zwei Jahren der Schuldner nicht in der Lage sein wird, seine Zahlungspflichten im jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu bedienen. Es muss also eine Prognose aufgestellt werden, welche die vorhandene Liquidität sowie alle Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt, die in dem Prognosezeitraum zu erwarten sind. Für die Prognose wird in der Regel ein Finanzplan aufgestellt. Für die drohende Zahlungsunfähigkeit ist keine Sicherheit erforderlich, es reicht aus, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als das Ausbleiben der Zahlungsunfähigkeit.
Für die drohende Zahlungsunfähigkeit gelten folgende Besonderheiten:
- Nur Schuldner: Nur der Schuldner kann den Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit stellen. Im Gegensatz dazu können auch Gläubiger bei einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen.
- Freiwillig: Es besteht keine Pflicht, bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen. Es stellt jedoch eine Möglichkeit dar, ein Unternehmen frühzeitig zu sanieren.
Wie sollte auf eine Insolvenz reagiert werden?
Wenn eine Insolvenz vorliegt, sollte grundsätzlich ein Insolvenzantrag gestellt werden. Bei einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens ist die Geschäftsführung dazu verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Wird dieser nicht gestellt, stellt dies eine Straftat dar (Insolvenzverschleppung, § 15a InsO). Außerdem haftet die Geschäftsführung für Schäden, die dadurch entstehen, dass der Insolvenzantrag zu spät gestellt wurde.
