Insolvenzanfechtung

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Insolvenzanfechtung ermöglicht die Rückabwicklung von Vermögensabflüssen vor der Insolvenzeröffnung.
  • Es gibt verschiedene Anfechtungsgründe mit jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen.
  • Bei allen Insolvenzanfechtungsansprüchen ist die Benachteiligung der Gläubiger erforderlich.

Was ist die Insolvenzanfechtung?

Die Insolvenzanfechtung gibt dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, Vermögensabflüsse, die kurz vor der Insolvenz erfolgt sind, rückabzuwickeln. Hintergrund der Insolvenzanfechtung ist, dass das Insolvenzverfahren dazu führen soll, dass die Gläubiger gleichbehandelt werden. Diese Gleichbehandlung wird gefährdet, wenn kurz vor der Insolvenz einzelne Gläubiger bevorzugt behandelt werden. Ohne die Insolvenzanfechtung würden die schnellsten Gläubiger privilegiert. Genau das möchte die Insolvenzanfechtung verhindern. Um dieses Prinzip umzusetzen, sehen die §§ 129 bis 147 InsO Möglichkeiten vor, wann und unter welchen Umständen Handlungen angefochten werden können.

Voraussetzungen für die Insolvenzanfechtung

Die Insolvenzanfechtung soll solche Vermögensverschiebungen rückabwickeln, die sich einseitig zugunsten des Gläubigers auswirken und damit die übrigen Gläubiger benachteiligen. Welche Vermögensverschiebungen konkret erfasst werden, ergibt sich aus den folgenden Voraussetzungen:

  • Rechtshandlung, § 129 InsO: Es muss eine Rechtshandlung vorliegen. Die Definition von Rechtshandlungen geht sehr weit. Es werden nicht nur Handlungen auf den Abschluss von Rechtsgeschäften, sondern auch Handlungen im Rahmen von Prozessen erfasst. Nicht erfasst werden allerdings höchstpersönliche Geschäfte (z. B. eine Erbschaft ausschlagen).
  • Gläubigerbenachteiligung, § 129 InsO: Die Rechtshandlung muss zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger führen. Eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger liegt vor, wenn die Handlung die Schulden erhöht oder das Vermögen reduziert hat. Um die Gläubigerbenachteiligung zu prüfen, wird also geschaut, ob die Befriedigung der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung höher gewesen wäre. Wenn der Schuldner mit dem Geschäft einen Gewinn gemacht hat, fehlt es entsprechend an einer Gläubigerbenachteiligung.
  • Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 129 InsO: Es können nur solche Handlungen angefochten werden, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden. § 147 InsO stellt eine Ausnahme von diesem Grundsatz dar. Wurde eine Handlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen und ist aufgrund des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs trotzdem wirksam, ist eine Anfechtung ebenfalls möglich.
  • Anfechtungsgrund: Es muss einer der Anfechtungsgründe der §§ 130 ff. InsO vorliegen. Zu den wichtigsten Anfechtungsgründen gehören die Kongruenzanfechtung, § 130 InsO, die Inkongruenzanfechtung, § 131 InsO, die Vorsatzanfechtung, § 133 InsO, und die Schenkungsanfechtung, § 134 InsO.
  • Kein Anfechtungsausschluss, § 142 InsO: Auch darf keine Ausnahme vorliegen. Nach § 142 InsO ist die Anfechtung von Bargeschäften ausgeschlossen. Ein Bargeschäft liegt vor, wenn der Schuldner und der Gläubiger die vertraglich geschuldeten Leistungen in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang erbringen. Der unmittelbare zeitliche Zusammenhang liegt vor, wenn die Leistungen innerhalb von 30 Tagen erbracht werden. Die Ausnahme des § 142 InsO greift nicht, wenn eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Hintergrund des § 142 InsO ist, dass ohne die Ausnahme krisengeplagte Schuldner vollständig aus dem Geschäftsverkehr ausgeschlossen würden.

Welche Rechtsfolgen hat eine Insolvenzanfechtung?

Wird die Rechtshandlung angefochten, muss der Anfechtungsgegner das Erlangte zurückgeben, § 143 InsO. Ist die Herausgabe des Gegenstandes nicht mehr möglich, muss Wertersatz gezahlt werden. Im Gegenzug lebt auch die Forderung des Anfechtungsgegners wieder auf, § 144 InsO. Ist die Gegenleistung noch unterscheidbar vorhanden oder die Insolvenzmasse noch bereichert, kann die Gegenleistung verlangt werden. Andernfalls kann der Insolvenzgläubiger seine Forderung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Aufgrund der Insolvenz ist die Forderung in den meisten Fällen nicht werthaltig und Gläubiger erhalten nur einen Bruchteil ihrer Forderung erstattet.

Was ist die Kongruenzanfechtung?

Die Kongruenzanfechtung nach § 130 InsO ist der Auffangtatbestand, der eingreift, wenn weder eine Anfechtung wegen einer inkongruenten Deckung, § 131 InsO, eingreift, noch § 135 InsO. 

Eine kongruente Deckung liegt vor, wenn der Anfechtungsgegner genau das erhält, was er vom Schuldner fordern konnte. Die Anfechtung ist in einem solchen Fall nur möglich, wenn der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und die Handlung in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde. Es reicht insoweit aus, dass die Handlung die Zahlungsunfähigkeit ausgelöst hat. Außerdem muss der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit gekannt haben. § 130 InsO ist ebenfalls anwendbar, wenn die Rechtshandlung nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrages reicht es aus, dass der Gläubiger Kenntnis von den Umständen hatte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, § 130 Abs. 2 InsO. Solche können sich etwa aus Presseberichten ergeben oder daraus, dass der Schuldner über einen längeren Zeitraum hinweg die Bezahlung von Forderungen einstellt.

Was ist die Inkongruenzanfechtung?

Die Inkongruenzanfechtung ist bei einer inkongruenten Deckung einschlägig. Von einer inkongruenten Deckung wird gesprochen, wenn sich die vertraglich oder gesetzlich geschuldete Leistung nicht mit der konkreten Leistung deckt. Die fehlende Deckung kann sich etwa daraus ergeben, dass eine Forderung vor Fälligkeit bezahlt wird („nicht zu der Zeit“) oder eine andere Sache als vertraglich geschuldet geleistet wird („nicht in der Art“). Erfasst wird neben der Erfüllung einer Forderung auch die Sicherung einer Forderung, z.B. die Bestellung einer Grundschuld.

Eine inkongruente Leistung oder Sicherung ist im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag grundsätzlich anfechtbar, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Erfolgt die Handlung im zweiten oder dritten Monat vor dem Insolvenzantrag, besteht das Anfechtungsrecht, wenn der Schuldner zahlungsunfähig war oder der Anfechtungsgegner die Benachteiligung des Insolvenzgläubigers kannte oder hätte kennen müssen. Die Besonderheit des § 131 InsO besteht darin, dass das Anfechtungsrecht auch in solchen Fällen besteht, in denen der Schuldner überhaupt keine Kenntnis von der Krise hatte.

Was ist die Unmittelbarkeitsanfechtung?

Die Unmittelbarkeitsanfechtung ist einschlägig, wenn eine Handlung vorgenommen wird, die sich unmittelbar nachteilig auf das Vermögen des Schuldners auswirkt, § 132 InsO. Der Unterschied zwischen einer unmittelbaren und mittelbaren Gläubigerbenachteiligung besteht darin, dass sich bei einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung der Nachteil auch aus dem Hinzutreten weiterer Umstände ergeben kann. § 132 InsO erfordert demgegenüber eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung, die vorliegt, wenn dem Vermögen des Schuldners nicht eine gleichwertige Gegenleistung zufließt. 

Nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO besteht die Anfechtungsmöglichkeit, wenn diese drei Voraussetzungen zusätzlich vorliegen:

  • 3 Monate: Die nachteilige Handlung wurde in den letzten drei Monaten vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen.
  • Zahlungsunfähigkeit: Der Schuldner muss im Zeitpunkt der Zahlung bereits zahlungsunfähig gewesen sein. 
  • Kenntnis: Der Anfechtungsgläubiger wusste von der Zahlungsunfähigkeit oder hatte Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. 

Das Anfechtungsrecht besteht ebenfalls, wenn das nachteilige Geschäft nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurde und der Anfechtungsgläubiger Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag hatte.

Was ist die Vorsatzanfechtung?

Die Vorsatzanfechtung erlaubt die Anfechtung von Handlungen, die der Schuldner mit dem Vorsatz vornimmt, seine Gläubiger zu benachteiligen. Die Vorsatzanfechtung hat für die Praxis eine sehr hohe Bedeutung, weil die Möglichkeit besteht, Handlungen anzufechten, die in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden.

Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen, damit das Anfechtungsrecht nach § 133 InsO besteht:

  • Benachteiligungsvorsatz: Der Schuldner muss Vorsatz bezüglich der Benachteiligung des Gläubigers haben. Aufgrund der Schwierigkeiten, einen entsprechenden Vorsatz nachzuweisen, wird das Vorliegen einer inkongruenten Deckung als starkes Beweiszeichen für eine Gläubigerbenachteiligung gewertet.
  • Kenntnis: Der Leistungsempfänger muss den Vorsatz des Schuldners kennen. Die Kenntnis des Vorsatzes zur Gläubigerbenachteiligung wird vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung den Gläubiger benachteiligt. Wenn der Gläubiger wiederum Kenntnis von tatsächlichen Umständen hat, welche direkt auf eine Zahlungsunfähigkeit hinweisen, wird vermutet, dass der Gläubiger auch die Zahlungsunfähigkeit kennt. Eine solche Kenntnis kann etwa daraus folgen, dass Lastschriften zurückgegeben werden oder sich der Gläubiger regelmäßig in Zahlungsverzug befindet.
  • Frist: Grundsätzlich können über § 133 InsO Handlungen angefochten werden, die in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind. Gewährt die Leistung eine Sicherung oder Befriedigung, liegt der Zeitraum bei nur vier Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Leistung einer Befriedigung bedeutet, dass ein Anspruch des Gläubigers befriedigt wird. Die Gewährung einer Sicherheit liegt vor, wenn die Durchsetzung eines Anspruchs erleichtert wird (Beispiel: Vereinbarung einer Sicherungsübereignung).

Handelt es sich um einen entgeltlichen Vertrag zwischen nahestehenden Personen, ist § 133 Abs. 4 InsO anwendbar.

Was ist die Schenkungsanfechtung?

§ 134 InsO ermöglicht die Anfechtung von unentgeltlichen Leistungen, wenn diese innerhalb der letzten vier Jahre, bevor der Insolvenzantrag gestellt wurde, vorgenommen wurden. Als unentgeltliche Leistung gelten alle Leistungen, die ohne objektiv ausreichenden Gegenwert erbracht wurden. Die Insolvenzanfechtung wird damit begründet, dass Empfänger von Geschenken als weniger schutzwürdig gelten. Eine Ausnahme besteht für Empfänger von üblichen Gelegenheitsgeschenken von geringem Wert (Grenze: ca. 200 €).

Welche weiteren Anfechtungsgründe bestehen?

Neben den genannten Anfechtungsgründen gibt es noch einige zusätzliche Möglichkeiten, in denen die Möglichkeit besteht, Rechtshandlungen anzufechten. Beispielsweise ist es nach § 135 InsO möglich, Darlehensrückzahlungen, die ein Gesellschafter in der letzten Zeit erhalten hat, anzufechten. Aus § 136 InsO ergibt sich die Möglichkeit, Rückzahlungen an stille Gesellschafter anzufechten.

Wie kann man sich gegen eine Rückforderung verteidigen?

Die Verteidigung gegen die Anfechtung einer Leistung ist davon abhängig, welcher Anfechtungsgrund einschlägig ist. Eine Verteidigung mit der Begründung, keine Kenntnis gehabt zu haben oder den Gegenstand bereits verkauft zu haben, hat in der Regel keine Aussicht auf Erfolg. 

  • Wertersatz: Die Veräußerung des Gegenstands führt dazu, dass Wertersatz gezahlt werden muss. Entsprechend hat die Verteidigung mit der Begründung, dass die Sache nicht mehr vorhanden ist, grundsätzlich keine Aussicht auf Erfolg.
  • Keine Kenntnis: In vielen Fällen reicht es aus, dass der Gläubiger Kenntnis von Umständen hat, die auf eine Gläubigerbenachteiligung, Zahlungsunfähigkeit oder ähnliche Umstände schließen lassen. In solchen Fällen kommt es nicht darauf an, ob der Gläubiger die richtigen Schlüsse gezogen hat, sondern hätte ziehen müssen.

Häufig gestellte Fragen

  • Wann verjährt der Rückforderungsanspruch bei der Insolvenzanfechtung?

    Der Rückforderungsanspruch bei der Insolvenzanfechtung unterliegt den Verjährungsvorschriften des BGB. Entsprechend verjährt der Rückforderungsanspruch grundsätzlich innerhalb von drei Jahren.

  • Was ist die Insolvenzanfechtung?

    Bei der Insolvenzanfechtung besteht die Möglichkeit, Vermögensabflüsse die vor der Insolvenz erfolgt sind, anzufechten.

  • Welche Folgen hat die Insolvenzanfechtung?

    Die Insolvenzanfechtung hat insbesondere zur Folge, dass die erlangten Vermögensvorteile wieder herausgegeben werden müssen.

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