Insolvenzverschleppung

Das Wichtigste in Kürze:

  • Als Insolvenzverschleppung wird das zu späte Stellen eines Insolvenzantrags bezeichnet.
  • Geschäftsführer und Vorstände machen sich strafbar, wenn sie bei einer Unternehmensinsolvenz zu spät einen Insolvenzantrag stellen.
  • Ein Insolvenzantrag muss gestellt werden, wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist.

Was ist eine Insolvenzverschleppung?

Als Insolvenzverschleppung wird das zu späte Anmelden einer Unternehmensinsolvenz bezeichnet und stellt eine Straftat dar. Geschäftsführer und Vorstände müssen einen Insolvenzantrag stellen, wenn ein Unternehmen überschuldet oder zahlungsunfähig ist. Die Strafbarkeit der Insolvenzverschleppung ergibt sich aus § 15a InsO.

Die Insolvenzverschleppung hat folgende Voraussetzungen:

  • Unternehmensinsolvenz
  • Handlungspflichtige Person
  • Keinen Antrag stellen
  • Keine Ausnahme
  • Vorsatz oder Fahrlässigkeit

Bei welchen Insolvenzen kann man sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen?

Die Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung ist nur bei Unternehmensinsolvenzen möglich. Die Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO setzt voraus, dass eine juristische Person insolvent geht. Als juristische Person gilt beispielsweise eine GmbH, AG, Genossenschaften usw. 

  • Stiftung & Vereine: Nicht erfasst von § 15a InsO sind die Insolvenz von Vereinen und Stiftungen (§ 15a Abs. 7 InsO). 
  • KG & oHG: Die Insolvenz einer Kommanditgesellschaft bzw. offenen Handelsgesellschaft (oHG) ist nicht erfasst, sofern mindestens einer der persönlich haftenden Gesellschafter eine natürliche Person ist.

Wann ist ein Unternehmen insolvent?

Ein Unternehmen ist gemäß § 15a InsO insolvent, wenn es zahlungsunfähig oder überschuldet ist.

  • Zahlungsunfähigkeit: Ein Unternehmen ist zahlungsunfähig, wenn es nicht in der Lage ist, fällige Verbindlichkeiten zu bezahlen. Zahlungsunfähigkeit liegt also nur vor, wenn Geldforderungen nicht erfüllt werden können. Ist beispielsweise ein Unternehmen nicht in der Lage, eine Lieferpflicht zu erfüllen, ist dies für die Zahlungsfähigkeit ohne Bedeutung. Die Zahlungsunfähigkeit liegt erst vor, wenn die Liquiditätslücken „wesentlich“ sind. Deshalb reichen ganz kurzfristige oder sehr geringe Liquiditätslücken nicht aus. Außerdem reicht die drohende, erst in der Zukunft eintretende Zahlungsunfähigkeit ebenfalls nicht aus. 
  • Überschuldung: Ein Unternehmen ist überschuldet, wenn die Schulden des Unternehmens höher sind als das Vermögen. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings eine Ausnahme, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Die Fortführungsprognose ist positiv, wenn das Unternehmen in den nächsten 12 Monaten alle fälligen Verbindlichkeiten decken kann.

Wann wird eine Insolvenz verschleppt?

Eine Insolvenz wird verschleppt, wenn der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig von der zuständigen Person gestellt wird. Entsprechend kann die Insolvenzverschleppung nur von der zuständigen Person begangen werden und setzt ein Unterlassen voraus, indem die Strafbarkeit erfordert, dass der Insolvenzantrag nicht gestellt wird.

  • Verpflichtete Person: Die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, trifft die Geschäftsführer bzw. Vorstände eines Unternehmens. Sofern es in einem Unternehmen mehrere Geschäftsführer bzw. Vorstände gibt, trifft die Pflicht, den Insolvenzantrag zu stellen, jeden Geschäftsführer bzw. Vorstand einzeln. Wenn ein Unternehmen ausnahmsweise keinen Geschäftsführer oder Vorstand hat (sog. führungslose Gesellschaft) müssen bei der GmbH die Gesellschafter und bei der AG der Aufsichtsrat den Insolvenzantrag stellen.
  • Rechtzeitig: Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss rechtzeitig gestellt werden, § 15a Abs. 4 Nr. 1 InsO. Ein Insolvenzantrag muss ohne schuldhaftes Zögern gestellt werden. Dementsprechend muss der Antrag zeitnah gestellt werden und die Fristen in Abs. 1 (Zahlungsunfähigkeit: 3 Wochen, Überschuldung: 6 Wochen) sind Höchstfristen. Das bedeutet, dass diese Fristen auf keinen Fall überschritten werden dürfen und die Frist, den Antrag zu stellen, auch früher ablaufen kann. Die Frist zur Stellung des Insolvenzantrages beginnt mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung. Wenn die Situation nicht erkannt wird, ändert dies nichts daran, dass die Pflicht besteht, einen Insolvenzantrag zu stellen.
  • Richtig: Der Insolvenzantrag muss außerdem korrekt gestellt werden. Fehlen Angaben oder ist der Antrag unvollständig, liegt kein zulässiger Insolvenzantrag vor. Wird ein fehlerhafter Insolvenzantrag rechtzeitig korrigiert, macht sich der Antragsteller nicht strafbar.

Während der Corona-Pandemie wurde vorübergehende die Pflicht ausgesetzt, Insolvenzanträge zu stellen. Wer während dieser Zeit keinen Insolvenzantrag gestellt hat, war teilweise straflos.

Wann liegt Vorsatz oder Fahrlässigkeit vor?

Die Strafbarkeit setzt voraus, dass der Täter vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Vorsätzlich handelt der Täter, wenn er jedenfalls die Möglichkeit erkennt, dass er einen Insolvenzantrag stellen muss und trotzdem keinen richtigen Insolvenzantrag stellt. Ein Indiz dafür, dass der Täter vorsätzlich handelt, ist, wenn der Täter Kenntnis davon hat, dass das Unternehmen wirtschaftliche Probleme hat. Denkt der Täter beispielsweise, dass die Gesellschaft in der Lage ist, die Verbindlichkeiten zu erfüllen, handelt er nicht vorsätzlich.

Wenn der Täter nicht vorsätzlich handelt, kommt eine Strafbarkeit auch bei Fahrlässigkeit in Betracht. Fahrlässig handelt, wer entweder sorgfaltswidrig nicht erkennt, dass überhaupt eine Insolvenz vorliegt, oder die Insolvenz erkennt und sorgfaltswidrig keinen richtigen, rechtzeitigen Insolvenzantrag stellt.

Ist die Gefahr groß, entdeckt zu werden?

Die Gefahr, wegen Insolvenzverschleppung entdeckt zu werden, ist sehr hoch. Irgendwann wird ein Gläubiger der Gesellschaft einen Insolvenzantrag stellen. Aufgrund der Einblicke, welche das Gericht und der Insolvenzverwalter erhalten, werden die meisten Insolvenzverschleppungen entdeckt. Insgesamt liegt die Aufklärungsquote bei Anzeigen wegen Insolvenzverschleppung bei ca. 99 %. Außerdem kommt es bei über 50 % aller Insolvenzen zu Straftaten, wobei die Insolvenzverschleppung eine der häufigsten Straftaten darstellt.

Welche Strafe droht bei Insolvenzverschleppung?

Insolvenzverschleppung wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handelt der Täter fahrlässig, liegt die Strafe bei bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Das Gericht hat somit bei der Strafe einen großen Spielraum. Das Gericht berücksichtigt unter anderem, ob der Täter Reue zeigt, welche Folgen die Insolvenzverschleppung hatte und ob der Täter vorbestraft ist.

  • Geldstrafe: Die Höhe der Geldstrafe orientiert sich zum einen an dem Einkommen des Täters und zum anderen daran, wie schlimm die Tat war.
  • Bewährung: Freiheitsstrafen unter 2 Jahren werden bei Tätern ohne Vorstrafe üblicherweise zur Bewährung ausgesetzt. Im Falle einer Verurteilung droht also meist keine Haft, sofern keine Vorstrafe besteht.
  • Einstellung: Ein Ermittlungsverfahren wird einerseits eingestellt, wenn die Tat nicht nachgewiesen werden kann. Andererseits hat die Staatsanwaltschaft auch die Möglichkeit, das Verfahren trotz Vorliegen eines Tatverdachts einzustellen. Teilweise erfolgt die Einstellung des Verfahrens nur, wenn zuvor eine Auflage erfüllt wurde (i. d. R. eine Geldzahlung). Bei der Insolvenzverschleppung sind beide Formen der Verfahrenseinstellung möglich.

Neben den strafrechtlichen Konsequenzen drohen schwerwiegende zivilrechtliche Konsequenzen. Vorstände und Geschäftsführer haften persönlich für Schäden, die dadurch entstehen, dass der Insolvenzantrag zu spät gestellt wird. Ein zu spät gestellter Insolvenzantrag kann somit zur Privatinsolvenz führen.

Anzeige wegen Insolvenzverschleppung, was tun?

Wenn gegen Sie wegen Insolvenzverschleppung ermittelt wird, ist es sehr wichtig, dass Sie sich von Anfang an korrekt verhalten. Insbesondere Fehler am Anfang des Verfahrens erschweren die weitere Verteidigung häufig stark. Deshalb ist es wichtig, dass Sie die folgenden Tipps beachten:

  • Insolvenzantrag stellen: Sofern noch nicht geschehen, sollten Sie schnellstmöglich den Insolvenzantrag stellen.
  • Erfahrener Strafverteidiger: Um die bestmöglichen Chancen bei der Verteidigung zu haben, ist es wichtig, dass Sie so schnell wie möglich einen Strafverteidiger mit Erfahrung im Insolvenzstrafrecht mandatieren.
  • Keine Aussage & Herausgabe: Sie sollten keine Aussage gegenüber der Polizei oder Staatsanwaltschaft tätigen. Ist eine Aussage ausnahmsweise sinnvoll, kann diese später nachgeholt werden. Gleiches gilt für die freiwillige Herausgabe von Unterlagen oder Passwörtern.

Häufig gestellte Fragen

  • Wie hoch ist die Strafe für Insolvenzverschleppung?

    Insolvenzverschleppung wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die genaue Höhe der Strafe hängt von den konkreten Umständen ab (z.B. ob Vorstrafen bestehen).

  • Wann liegt eine Insolvenzverschleppung vor?

    Eine Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn ein Insolvenzantrag bei einem Unternehmen zu spät gestellt wird. Die Pflicht einen Insolvenzantrag zu stellen, trifft nur Vorstände und Geschäftsführer.

  • Wer kann sich wegen der Insolvenzverschleppung strafbar machen?

    Wegen Insolvenzverschleppung können sich nur Geschäftsführer und Vorstände strafbar machen.

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